Wenn Worte weh tun

        Das Smartphone als Zeitkiller? Bei den 11- und 12-Jährigen des Schulhauses Kirchenfeld scheint dies (noch)

nicht der Fall zu sein. Nach der ersten Übung zeigt sich: Die meisten lassen sich täglich knapp eine Stunde

ablenken. Als nächstes lässt Pädagogin Mariel Diez die Kinder Portraits wildfremder Personen kommentieren.

Unter den Fotos sammeln sich Adjektive wie fett, lustig, hübsch, brutal, gestört oder behindert.

 

Schreiben, was man selber lesen möchte

        In der anschliessenden Diskussion stellen die Kinder bald einmal fest, dass viele ihrer Kommentare

beleidigend wirken und die betroffene Person verletzen. Wie sich die Anonymität des Internets von der direkten

Konfrontation unterscheidet, erfahren sie in der nächsten Übung. Es gilt, sein gegenüber zu kommentieren.

«Ich fand es lustig, da nur schöne Sachen gesagt wurden», sagt ein Mädchen. Andere äusserten sich

durchaus kritisch. Fest stehe, resümiert Mariel Diez, dass man eine andere Meinung einfacher akzeptieren

könne, wenn man die Person kenne. Und: «Erinnert euch das nächste Mal daran, nur das zu schreiben, was

ihr auch gerne unter eurem eigenen Bild lesen möchtet.»

        Den zweistündigen Input zum Thema Cybermobbing schliesst die Radiopädagogin der Stiftung Kinderdorf

Pestalozzi mit einer Reflexion der besonderen Art. Alle Teilnehmenden blicken nacheinander in eine

Kartonkiste, die vor Mariel Diez auf dem Boden steht. Dabei beantworten sie Fragen wie: Wie würdest du die

Person beschreiben? Welchen Kommentar würdest du zu diesem Foto ins Netz hochladen? Wie würdest du

die Person in einem Wort beschreiben? Die meisten Kinder antworten zögerlich und oberflächlich, manche

peinlich berührt, andere sichtlich irritiert. Warum? In der Kiste liegt ein Spiegel.

 

Wo ungeahnte Talente sichtbar werden

        Der Workshop «kritische Medienkompetenzen» ist eingebettet in eine Medienwoche, welche die Primarschule

Diepoldsau zum zweiten Mal durchführt. «Das Thema Medien beschäftigt uns schon lange», sagt Schulleiter

Nick Metzler. Man habe aufgrund wiederkehrender kleinerer Vorfälle an der Schule festgestellt, dass man im

Bereich Sicherheit und Gefährdung mehr investieren müsse. Um die internen Kapazitäten nicht zu stark zu

strapazieren, greift die Schule auf externe Anbieter wie die Stiftung Kinderdorf Pestalozzi zurück, welche die

Lehrpersonen mit ihrem Fachwissen unterstützt. Armin Lüchinger, pädagogischer IT-Supporter ergänzt:

«Wirklich Radio machen zu können, ist natürlich schon nochmals eine andere Ebene.» Wenn er die riesige

Motivation der Kinder sehe, sei für ihn klar, dass sich der Aufwand lohne.

        Extrem engagiert und lebendig erlebt auch Mariel Diez die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler. «Sie

kommen freiwillig früher aus der Pause zurück, um sich auf die Sendung vorzubereiten. Und sie nehmen ihre

gute Laune und ihren Drive mit in die Radiosendung.» Gian beispielsweise hat übers Wochenende einen Input

zur Stiftung Kinderdorf Pestalozzi erarbeitet, welchen er in seiner Sendung vom Montagmittag präsentiert. Ein

weiteres Thema, welches er zusammen mit seinem Moderationskollegen Sebastian aufgreift, ist die

Geschichte vom bösen Wolf im Geisslein-Chat. Nick Metzler, der für ein paar Videoaufnahmen mit seinem

iPad im Radiobus auftaucht, ist begeistert von der Arbeit der Schülerinnen und Schüler: «Während der

Medienwoche entdeckt man Talente, die im Schulalltag sonst nicht sichtbar sind.»

Unsere Radio App

Jetzt App installieren und Radio hören.